Tierwohl vs. Tierschutz vs. Tierrecht
Die Begriffe Tierschutz, Tierrechte und Tierwohl werden im öffentlichen Diskurs oft ohne jede Trennschärfe verwendet, wenn sie nicht gar teilweise schlicht als umfassend oder gänzlich synonym aufgefasst werden. Beides ist insofern zu entschuldigen, als dass es zahlreiche Berührungspunkte und erhebliche sachliche Überschneidungen zwischen dem gibt, was sich hinter diesen Begriffen üblicherweise verbirgt. Es ließe sich provokant behaupten, dass eine saubere Trennung der Begriffe viel eher als etwas Gekünsteltes bezeichnet werden könnte. Nichtsdestotrotz haben sich über Jahrzehnte, ja teils über Jahrhunderte hinweg Tendenzen herauskristallisiert, die eine gewisse Differenzierung nicht nur als notwendig, sondern auch als hilfreich erscheinen lassen: Der öffentliche Diskurs kann an Klarheit gewinnen, wo die historisch gewachsenen Tendenzen trotz aller Überschneidungen bewusst vereinfachend herausgearbeitet werden.
Was ist klassischer Tierschutz?
Der klassische Tierschutz weist je nachdem, ob es um ‘Wild’-, ‘Haus’- oder sogenannte ‘Nutz’tiere geht, einen stark schwankenden Umfang an Maßnahmen auf, die den Umgang mit Tieren regulieren oder ihr Leben bzw. Wohlergehen sichern oder zumindest Leid und Unbehagen minimieren sollen. Im ‚Nutztier’-Kontext gehören hierzu art- bzw. tiergerechte Haltung, Pflege und der Schutz vor Schmerzen oder anderen Schäden.
Im Wesentlichen kann zwischen anthropozentrischem und „ethischem“ bzw. direktem Tierschutz unterschieden werden:
Anthropozentrischer Tierschutz: Aus dieser Perspektive stehen die Interessen des Menschen im Mittelpunkt. Tiere werden nur indirekt geschützt und lediglich insofern berücksichtigt, wie ihr Schutz den Menschen zugute kommt – sei es ökologisch, wirtschaftlich, emotional oder gesellschaftlich. Der anthropozentrische Tierschutz war historisch über das Verrohungsargument von größter Bedeutung: Wer Tiere schlecht behandele, werde früher oder später auch Menschen schlecht behandeln.
„Ethischer“ Tierschutz: Tiere werden als an sich berücksichtigungswürdig angesehen und sollen um ihrer selbst willen geschützt werden. Der Vorrang menschlicher Interessen, und seien sie nur wirtschaftlicher Art, bleibt jedoch vor allem im ‚Nutztier‘-Kontext unangetastet.
Zusätzlich wird häufig zwischen praktischem, vorbeugendem und gesetzlichem Tierschutz differenziert. Praktischer Tierschutz bietet direkte Hilfe für Tiere (z.B. Tierheime und Wildtierstationen), während der vorbeugende Schutz schädigende Ereignisse zu verhindern versucht (z.B. Vogelschutz über Aufkleber auf großen Glasflächen oder Krötenschutzzäune). Das Tierschutzrecht umfasst den gesetzlichen Rahmen sowie die dazugehörige Rechtsprechung und ermöglicht eine staatliche Durchsetzung einiger Aspekte des Tierschutzes.
Das entscheidende Charakteristikum der herkömmlichen Tierschutzposition besteht darin, dass der Anspruch des Menschen auf die Nutzung von Tieren zu Ernährungszwecken, im Rahmen der medizinischen Forschung usw. nicht ernsthaft hinterfragt wird. Er wird viel eher selbst für recht triviale Zwecke wie Unterhaltung weitreichend als gesetzt betrachtet. Entscheidend ist folglich das Wie und weniger das Ob der Nutzung, wobei sich die Haltung gegenüber Wildtieren und Haustieren wie Hunden oder Katzen dennoch teilweise einer Tierrechtsposition annähern kann. Die in diesem Rahmen zentrale Differenz betrifft also vor allem die Betrachtung der sogenannten landwirtschaftlichen ‚Nutztiere‘. Sie sollen lediglich bis zu ihrer Tötung, die nur selten problematisiert wird, ‚gut‘ behandelt werden.
Tierrechte: Ein radikalerer Ansatz zur Berücksichtigung von Tieren
Tierrechtspositionen gehen über den Tierschutz hinaus und fordern mehr oder weniger explizit grundlegende Rechte für Tiere – analog zu Menschenrechten. Obgleich sich die einzelnen Positionen in ihrer Reichweite durchaus unterscheiden, lässt sich die zentrale Forderung wie folgt zusammenfassen: Tiere sollten das Recht darauf zugesprochen bekommen, nicht von uns ausgebeutet oder ohne ethisch vertretbaren Grund verletzt oder getötet zu werden. Die weitreichende Vorrangstellung des Menschen, wie sie für den klassischen Tierschutz charakteristisch ist, wird demnach abgelehnt.
Für die in dieser Betrachtung gewünschte Vereinfachung kann die zentrale Differenz zwischen der Tierschutz- und der Tierrechtsposition also folgendermaßen zusammengefasst werden: Während sich der Tierschutz in der Praxis primär auf die ‚gute‘ Organisation der herrschenden Tiernutzung fokussiert, fordern die Tierrechtspositionen eine Neuausrichtung der Mensch-Tier-Beziehung und führen in der Praxis zu einer veganen Lebensweise, die alle Formen der Ausbeutung von und Grausamkeiten gegenüber Tieren ablehnt.
Tierwohl: Ein legitimer Blickwinkel zwischen Realität und Propaganda
Der Begriff Tierwohl steht für das körperliche und emotionale (Un-)Wohlbefinden von Tieren und kann sowohl im Tierschutz- als auch im Tierrechtsrahmen eine Rolle spielen. Im gesellschaftlichen Diskurs hat der Aspekt des Tierwohls seinen festen Platz jedoch eher im Bereich des Tierschutzes, wo es um das ‚gute Leben‘ der ‚Nutz‘-, ‚Versuchs‘- oder ‚Zootiere‘ etc. geht. In diesem Kontext wird der Begriff oft kritisch betrachtet, da er von der Industrie und Politik genutzt wird, um Vorstellungen zu wecken, die kaum mit den realen Zuständen übereinstimmen.
Der vielfach kritisierte Missbrauch des Begriffs sollte allerdings nicht zu dem Schluss führen, den Blickwinkel „Tierwohl“ pauschal aus der Debatte zu verbannen. Die Bewertung und Heranziehung des Tierwohls bleibt tierethisch zumindest in einigen Fällen, in denen es eine gute Haltung bzw. Pflege zu gewährleisten gilt, hochbedeutsam.