Auf dem Holzpferd
Ist Reiten auf Holzpferden und Bauernhof spielen vegan?
TL;DR
Ja, das ist vegan – Tiere werden dabei nicht ausgebeutet.
Kann es trotzdem eine problematische Symbolwirkung haben? Vielleicht. Kommt wahrscheinlich auf den Kontext an.
Nicht-Veganer: Hört auf, echte Tiere wie Objekte zu behandeln und lebt vegan.
Veganer: Nutzt solche Momente, um über die reale Ungerechtigkeit gegenüber Tieren zu sprechen.
Ein Kind setzt sich auf ein Holzpferd oder galoppiert auf einem Steckenpferd durch den Garten. Niemand wird dabei ausgebeutet. Kein Tier wird dabei misshandelt oder gezwungen, an seine Grenzen zu gehen und zu funktionieren. Also ja – das ist natürlich vegan.
Dasselbe gilt fürs Bauernhof spielen. Wenn Kinder Spielzeugkühe melken oder Plastikeier aus dem Miniaturstall nehmen, passiert erstmal nichts schlimmes. Keine Kälber werden ihren Müttern weggenommen, keine überzüchteten Tiere misshandelt oder getötet. Auch kann man nicht behaupten, dass man, nur weil man als Kind Tierausbeutung gespielt hat, später nicht erkennen könne, dass sie falsch ist.
Auch die Militante Veganerin saß mal auf einem Holzpferd und ist dennoch zu einer der vehementesten Tierrechtsaktivisten geworden. Sie reitet sogar jetzt noch auf Steckenpferden – und nutzt es, um auf das reale Unrecht hinzuweisen. Ein gutes Beispiel dafür, wie man diese Kontexte für die Tiere nutzen kann.
Aber ist das Spiel vollkommen unbedenklich? Nicht unbedingt.
Problematisch ist sicherlich, dass diese Spiele, ähnlich wie die Werbung zu Tierprodukten, reale, üble Zustände und Praktiken romantisieren. Man denkt beim Spielen schnell an eine glückliche Kuh, die ihre Milch bereitwillig zur Verfügung stellt oder den Bauer, der “für seine Tiere sorgt” – an die Idylle. Nur ist die Realität zu großen Teilen alles andere als idyllisch, sondern geprägt von Ungerechtigkeit und Gewalt. Gewalt, die wir Kindern normalerweise nie zeigen würden, obwohl sie – auch für ihren Konsum – jeden Tag millionenfach passiert, in Ställen, in Schlachthöfen, in Laboren, Zoos und Zirkussen.
Wenn Kinder nachspielen, was sie in Kinderbüchern oder in der Werbung gesehen haben, dann spielen sie nicht kontextlos, aus bloßer Neugier an den Tieren, sondern mit einem bestimmten, vordefinierten und verzerrten Mensch-Tier-Verhältnis, das sie vermittelt bekommen haben. Nicht das Spielen an sich ist das Problem, sondern die traurige wie ungerechte Realität, die dadurch falsch abgebildet und beschönigt wird.
An die Nicht-Veganer: Ihr spielt nicht. Ihr macht’s wirklich!
Der Unterschied ist einfach: Ein Holzpferd ist ein lebloses Ding. Ein echtes Pferd ist ein empfindungsfähiges und denkendes Lebewesen. Wenn wir Pferde reiten, Kühe melken, Fische angeln oder generell Tiere töten bzw. die entsprechenden Produkte kaufen – dann sind das keine Spielchen. Dann sind das Handlungen, die massivste Interessenverletzungen mit sich bringen, Handlungen der Gewalt, die in der Regel nicht zu rechtfertigen sind, wenn man betrachtet, welche Interessen sich hier gegenüberstehen. Denn wo bleibt die Verhältnismäßigkeit, wenn das Verlangen nach Genuss, einem bestimmten Textilprodukt, Bequemlichkeit oder dergleichen über das Interesse am Leben und der Vermeidung schweren Leids gestellt wird? Wie fair fänden wir es, wenn wir in der Rolle der Tiere wären?
An die Veganer: Spielen ist kein Verbrechen. Aber Schweigen sollten wir nicht.
Es bringt vermutlich wenig, mit Nicht-Veganern bzw. öffentlich darüber zu diskutieren, dass das Reiten auf Spielzeugtieren problematisch ist, während die Mehrheit kein Problem damit hat, dass millionenfach echte Tiere für uns ausgebeutet werden. Ein Holzpferd ist nunmal offensichtlich kein Opfer und ein Spielbauernhof kein Ort der Ungerechtigkeit.
Aber wenn diese Spiele auftauchen – nutzt den Moment! Stört euch nicht an dem Spiel, sondern redet mit den Kindern und den Erwachsenen darüber und fragt sie, was wir da eigentlich nachspielen. Woher das Bild vom “glücklichen Tier” kommt und wie sie sich die Realität vorstellen. Erklärt ihnen, wie sie für gewöhnlich aussieht und warum sie kein Tier verdient hat.
Nicht um den Spaß zu verderben oder Spiele zu verbieten. Sondern um klarzumachen, dass wir echte Gewalt und Ungerechtigkeit zu verantworten haben, wenn wir nicht vegan leben – und dass wir unseren Anteil zu leisten haben, damit dieses Grauen keine Unterstützung mehr erfährt und hoffentlich eines Tages endet.
Autoren
Alexandra S. Aderhold, Linus Leuft